Rückblick

Entwicklung des Berufsbildes – die Akademisierung der Kindheitspädagogik

Welche Gründe gibt es zur Akademisierung der Kindheitspädagogik? Die Entwicklung in Deutschland wurde zum einen beeinflusst durch den Vergleich mit anderen europäischen Ländern, in denen Fachkräfte der Frühpädagogik größtenteils eine akademische Ausbildung vorweisen können und eine solche vergleichsweise höhere Qualifizierung als Voraussetzung für die Arbeit in Einrichtungen der Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern festgelegt ist. Zum anderen erzielte Deutschland schlechte Ergebnisse bei internationalen Vergleichen in Hinblick auf Bildungsergebnisse und -prozesse. Im Zuge der Umsetzung der Bologna-Reform wurde die Neustrukturierung des Studiensystems in Bachelor- und Masterstudiengänge schließlich dazu genutzt, eine Forderung nach einer höheren Qualifizierung von Fachkräften in Kindertageseinrichtungen zu stellen, welche mit der Etablierung kindheitspädagogischer Studiengänge einherging.

Die Forderung nach einer höheren Qualifizierung von Fachkräften in Kindertageseinrichtungen war insbesondere darin begründet, dass sich neue gesteigerte und komplexere Anforderungen im Arbeitsfeld der frühkindlichen Erziehung, Bildung und Betreuung entwickelt haben. Mittlerweile besteht zunehmend fachpolitischer und gesellschaftlicher Konsens darüber, dass die frühe Kindheit eine besonders entscheidende Rolle im Leben eines Menschen einnimmt – die Erfahrungen in der frühen Kindheit beeinflussen in erheblichem Maße die weiteren Entwicklungs- und Bildungschancen, die ein Mensch in seiner weiteren Biografie erfährt. Diese Erkenntnis ist in der Öffentlichkeit angekommen und geht einher mit einer zunehmenden Ausweitung der frühpädagogischen Forschungslandschaft.

Kindheit und Familie geraten zunehmend stärker ins Zentrum der Öffentlichkeit und somit gelangt auch die Verantwortung für eine unterstützende und fördernde Bildung und Erziehung in der frühen Kindheit zunehmend in den Fokus der institutionellen Einrichtungen, während Kindheit zuvor in der alleinigen Verantwortung der Familien lag. Die gesteigerten Anforderungen an Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen spiegeln sich vor allem darin wieder, dass der Fokus nun stark auf der Erfüllung des Bildungsauftrages liegt, sowie auf der intensiven Zusammenarbeit mit den Familien der Kinder in Form des Aufbaus gelingender Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Auch neue gesellschaftliche Anforderungen wirken sich in erheblichem Maße auf die Arbeit in der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung aus: Der gesteigerte Unterstützungsbedarf für Familien zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, neue Anforderungen im Bereich der U3-Betreuung und Inklusion und der Auftrag, ungleiche Bildungschancen aufzufangen, einhergehend mit der flächendeckenden Einführung von spezifischen Beobachtungs- und Dokumentationssystemen.

Der Bereich der Kindertageseinrichtungen ist also zu einem Arbeitsbereich geworden, der nicht nur den Ansprüchen von Eltern und Kindern gerecht werden muss, sondern zudem auch einer Vielzahl an unterschiedlichen und teilweise widersprüchlichen Erwartungen aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik ausgesetzt ist, sodass eine klare, professionelle und fachlich fundierte Haltung von Seiten der frühpädagogischen Fachkräfte notwendig ist, um die Erfüllung der zentralen Aufträge des Berufsbildes gewährleisten zu können und der unterschiedlichen Erwartungshaltungen professionell und verantwortungsvoll gegenüber treten zu können. Hierfür sind neben den pädagogischen Handlungskompetenzen weitere Fähigkeiten in den Vordergrund gerückt – ein breitgefächertes Fachwissen und tiefgreifendes Verstehen von frühkindlichen Entwicklungs- und Bildungsprozessen, Kompetenzen in Forschung, Recherche und Analyse, in Didaktik und Methodik, in der Organisation und Durchführung von Evaluationen, sowie in der Planung und Konzeptionsentwicklung.

Dadurch ist ein Studium notwendig geworden, das Lehre und Wissenschaft vereint. Durch diese Anforderungen werden Kitas und Grundschulen nun als „alltagsnahe Kristallisationsorte einer sozialraum- und lebensweltbezogenen, vernetzten Sozialpädagogik“ (Stieve/ Worsley/ Dreyer, 2014, S. 10) und als „Grundlage des Bildungswesens“ (ebd.) aufgefasst.

Allerdings haben sich diese notwendigen Anforderungen und Kompetenzen in Kitas nicht erst durch die sozialen Veränderungen herausgebildet, sondern bestehen schon länger – die veränderte Bedeutung der frühen Kindheit hat jedoch nun zu vielfältigen Reformen in der frühpädagogischen Fachpraxis und Ausbildung geführt und bildet eine entscheidende Grundlage für die Etablierung von hochschulischen Studiengängen, um die Professionalisierung der Kindheitspädagogik voranzubringen.

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Literatur:

Altermann, André/ Holmgaard, Marie (2013): Die (Teil-)Akademisierung der Frühpädagogik aus der Perspektive der Träger – Erste Befunde einer Befragung von Vertreterinnen und Vertretern der Träger von Kindertageseinrichtungen zum Akademisierungsprozess im Elementarbereich, S. 1-4, online verfügbar unter: http://www.akipaed.de/wp-content/uploads/2013/12/04_Artikel_ISA-Jahrbuch.pdf (04.05.2014)

Balluseck, Hilde von (o.J.): Kindheitspädagogik, online verfügbar unter: http://www.kindheitspädagogik.de/(09.02.2015)

Stieve, Claus/ Worsley, Caroline/ Dreyer, Rahel (2014): Staatliche Anerkennung von Kindheitspädagoginnen und -pädagogen. Dokumentation der Einführung einer neuen Berufsbezeichnung in den deutschen Bundesländern, Köln: Studiengangstag Pädagogik der Kindheit/ BAG-BEK e.V., online verfügbar unter: http://www.fbts.de/uploads/media/Studie_KindheitspaedagogIn_2014_BAG_BEK__StudiengangstagKindheit-opt1.pdf (09.02.2015)