Mütterrollen und Müttererwerbstätigkeit

Mütterrollen und Müttererwerbstätigkeit

Das Thema Erziehung und Mutterschaft wird medial rege diskutiert. Die meisten Menschen bilden sich ihre persönliche Meinung darüber, was eine „gute Mutter“ ausmacht. Einige Meinungen werden von „Experten“ gestützt, andere verworfen. Festzuhalten bleibt, dass eine „eigenständige Mütterrethorik“ ständig neu angefacht wird (Brändel & Hüning, 2012, S. 184).

Frauen entscheiden sich mit zunehmendem Alter für eine Mutterschaft. Mit der gesteigerten Einbindung in die Erwerbstätigkeit besetzt sie damit zwei Rollen gleichzeitig: Die Mutter- und die Berufsrolle. Dies führt zu einer Doppelbelastung der Mütter, während für Väter die Herausforderung in die andere Richtung besteht: sich einerseits beruflich zu etablieren, und gleichzeitig emotional und versorgend stärker in der Familie aktiv zu sein (Böllert & Peter, 2012, S. 7 ff.).

Auch im Jahr 2015 behält die Aussage „Die Erziehung in Familien ist weiblich und die Frau ist die Protagonistin in kindlichen Erziehungskontexten.“ Gültigkeit (Brändel & Hüning, 2012, S. 181).

Diese These wird in Fachdiskursen der Erziehungswissenschaft theoriebasiert und durch Vielzahl von AutorInnen belegt. Somit stehen Frauen im familialen System in höchster Verantwortung für die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern. Diese eindeutige Funktionszuweisung impliziert eine hohe Kontinuität, die dafür sorgt, dass Gesellschaft und Institutionen damit verbundene, normative Erwartungen an Mütter herantragen.

Damit einher geht die offensichtlich weibliche Alleinzuständigkeit für den kindlichen Entwicklungsprozess sowie gfls. dessen Versagen (Brändel & Hüning, 2012, S. 181). Dieser Entwicklungsprozess schließt die alltägliche Synchronisation mit verschiedenen Erziehungs- und Bildungsorten außerhalb der Familie mit ein und wird in der Regel von der Mutter übernommen.

Doch durch die Erwerbstätigkeit als zusätzliche Aufgabe wird Vereinbarkeit dieser „Doppelorientierung“ (Nave-Herz, 2007) zur Notwendigkeit, die jedoch oftmals an strukturellen Gegebenheiten scheitert. Denn obwohl die Partizipation von Müttern und Vätern am Familien- UND Arbeitsleben gefordert wird, hat sich in dieser über 20 Jahre dauernden Diskussion nur wenig geändert. Dies stellte auch der Siebte Familienbericht 2006 fest: „Die geschlechtsspezifische Ordnung für Familienaufgaben wurde (durch sozialpolitische Interventionen, die Verf.) nicht tangiert.“ (Brändel & Hüning, 2012, S. 186)

Debatten über Chancengleichheit stellt immer wieder Frauen und deren Anteil an der Erwerbsarbeit in den Vordergrund, weniger die Anforderung an Väter, die familiale Arbeit zu bewältigen (Brändel & Hüning, 2012, S. 186). Die Relevanz der eingangs zitierten These, die Frauen als „Protagonistin in kindlichen Erziehungskontexten“ darstellt, wird offenkundig.

Um diese Doppelbelastung bewältigen zu können, sind Leistungen an Synchronisation und Koordination nötig, um einen gemeinsamen Familienalltag herzustellen (BFSFJ, 2012, S. 8 f.).

Als Taktgeber der Zeitverwendung gelten: Arbeitszeiten, Öffnungszeiten öffentlicher Institutionen, Ausbildungszeiten, Verfügbarkeit familienunterstützender Dienstleistungen (BFSFJ, 2012, S. 9 f.).

Erwerbstätigkeit

  • sichert wirtschaftliche Stabilität der Familie
  • entscheidet über Möglichkeiten der Umsetzung individueller Lebensentwürfe
  • beeinflusst aufgrund begrenzter oder gegebener Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Frage nach der Familiengründung und deren Zeitpunkt
  • besitzt gesellschaftliche Relevanz, da Frauen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Fachkräftebasis leisten (BFSFJ, 2012, S. 11)

 Zahlen zur Erwerbstätigkeit

  • Anstieg Anzahl: Immer mehr Mütter sind erwerbstätig (66,4%)
  • Mütter mit Kinder ab 12 Jahren arbeiten genauso oft wie Frauen ohne Kinder
  • Anstieg Volumen: Das Erwerbsvolumen steigt seit 2006 an, zuvor war es rückläufig
  • In Westdeutschland liegt es höher als noch vor 12 Jahren, im Osten niedriger
  • Früherer Eintritt in Erwerbstätigkeit: Seit 2007 stieg die Zahl der Mütter mit 1- und 2-jährigen Kindern an, die in den Beruf zurück kehren
  • Bereits 41% der Mütter arbeiten, wenn das jüngste Kind im 2. Lebensjahr ist
  • Ist es 3 Jahre alt, arbeiten 54%
  • Im Vergleich dazu lagen die Werte 2006 noch 8% bzw. 12% darunter
  • Ist das jüngste Kind 6 Jahre, sind 71% der Eltern Doppelverdiener
  • Vermehrt in Vollzeit: Mütter steigen eher in vollzeitnahem oder mittleren Teilzeitumfang ein
  • Rückgang von früher Rückkehr in Beruf: Im 1. Lebensjahr des Kindes nutzen Eltern das Elterngeld um Kind zu versorgen -> Schonraum für Familien
  • Seit Einführung des Elterngeldes nur noch 10 % der Mütter während des 1. Lebensjahres im Erwerb, zuvor waren es 17%, die schnell in Beruf zurück kehrten
  • Wunsch nach früherer Rückkehr: Großteil der Mütter wünscht sich mehr Unterstützung, damit eine möglichst frühe Rückkehr in den Beruf gelingt
  • Dauer der Erwerbs-Unterbrechung im Durchschnitt 19 Monate
  • 2/3 der Mütter, die mehr als 6 Monate ausgestiegen sind, hätten gerne ihre Arbeit früher wieder aufgenommen
  • Gründe für unfreiwillig längere Unterbrechung: 1) Fehlende Kinderbetreuung, 2) Unflexible Arbeitszeiten, 3) Zu geringe Unterstützung durch den Partner *Alleinerziehende (S.71)
  • Gesamtwirtschaftliches Plus durch Mütter-Erwerbstätigkeit: Ausweitung des Erwerbsumfangs durch Mütter mit U3-Kindern ergibt umgerechnet 000 vollzeiterwerbstätige Mütter (Vollzeitäquivalente)
  • Steigerung des Bruttoinlandsproduktes um 4,7 Mrd. Euro
  • Dadurch ergeben sich positive Effekte auf Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, allen voran der Rentenversicherung * Gender Pay Gap (S. 64 f.)
  • Zunahme auch in Mehrkindfamilien: Mütter von mehreren Kindern unterbrechen häufiger und länger ihre Erwerbstätigkeit um sich der Organisation der Familie zu widmen
  • Hier jedoch auch Zunahme der Erwerbstätigkeit erkennbar
  • Häufig niedriger Arbeitszeitumfang: Auffällig (ebenso im internationalen Vergleich), dass über 70% in Teilzeit arbeitet
  • Jede 5. Mutter in geringfügiger TZ (>15h/Woche), auch bei älteren Kindern
  • 29 % in Vollzeit, bei Frauen ohne Kinder arbeiten 2/3 in Vollzeit
  • Hoher Teilzeitumfang: Zunahme der Erwerbstätigkeit seit 2005 vor allem durch TZ-Beschäftigung zwischen 15 und 32 h/Woche
  • Stabile Werte der geringfügig und in Vollzeit arbeitenden Müttern seit 2005
  • Bildung hat großen Einfluss auf Erwerbsmuster: Berufliche Bildungsabschlüsse als maßgeblicher Faktor
  • Je geringer der Bildungsabschluss, desto eher geringfügiges Arbeitsverhältnis
  • Im Osten wesentlich stärkere Erwerbsneigung als im Westen (höhere Quote, höhere Arbeitszeit auch bei kleineren Kindern)
  • Beide Eltern arbeiten bei 62% der Elternpaare: 1/3 lebt Einverdienermodell, gewünscht ist es allerdings nur von 1/5
  • Wunsch & Wirklichkeit: 41% leben modernisiertes Ernährermodell (Vater Vollzeit, Mutter Teilzeit), von 44% gewünschtes Modell
  • Parallele Teilzeit wünschen sich 14%, nur 2% setzen diesen Wunsch um
  • Ideal der Partnerschaftlichkeit: 60% der Eltern mit Kindern zwischen 1-3 Jahren orientieren sich stark an diesem Ideal. Sie wollen im gleichen Ausmaßerwerbstätig sein, sich um Haushalt und Familie sorgen. Nur 14% können z.Zt. dieses Modell realisieren! (BFSFJ, 2012, S. 9 f.)

Fazit: Familien und insbesondere Mütter brauchen mehr Entlastung durch

  • strukturelle Veränderungen
  • Anpassung der Unternehmen an Bedürfnissen der Familien statt umgekehrt
  • Mehr Unterstützung der Väter bei familialen Aufgaben (^)
  • verändertes Mutterbild in den Medien (Unperfekt und liebevoll geht gleichzeitig)
  • Kinderfreundliche Umgebung und Atmosphäre
  • Akzeptanz verschiedener Lebensentwürfe in der Gesellschaft
  • Hohen Qualitätsstandard in Betreuungseinrichtungen und Qualitätssicherung

 

Literatur:

Böllert, K. & Peter, C. (Hrgs.) (2012): Mutter+Vater=Eltern? Sozialer Wandel, Elternrollen und Soziale Arbeit. Wiesbaden: VS Verlag.

Brändel, B. & Hüning, J. (2012): Mütter in der Erziehungshilfe. (S. 181-210) In K. Böllert & C. Peter (Hrgs.): Mutter+Vater=Eltern? Sozialer Wandel, Elternrollen und Soziale Arbeit. Wiesbaden: VS Verlag.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrgs.),(2012): Dossier Müttererwerbstätigkeit. (2., aktual. u. überarb. Aufl.). Berlin.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrgs.),(2012): Zeit für Familie. Achter Familienbericht. Berlin.

 

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